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Schlaflos in der Nacht
Smartphone angemacht.
„Sleepless“ geschrieben
Auf Facebook hängen geblieben.
Bei Twitter reingeschaut.
Einen Tweet gebaut.
Noch eine Runde Quizduell war offen.
Dreimal grün, das lässt hoffen.
Jemand hat bei Facebook kommentiert:
Du bist sleepless? Ich bin fasziniert.“
Quizduell: „Sie haben gewonnen.“
Der andere will noch mal eine Chance bekommen.
Bei Insta kotzt jemand nen Regenbogen.
Eine Whatsapp von Sandra:
Er hat mich betrogen!“
Ein Twitterer hat meinen Tweet favorisiert.
Die Nacht ist trotzdem ruiniert.

Schlaflos

Dieses Meisterwerk der modernen Dichtkunst habe ich im Oktober 2015 geschrieben. Nachts. Da fing es an mit meiner Schlaflosigkeit. Und es wurde immer schlimmer. Die durchwachten Nächte steigerten sich in der Anzahl parallel zu den Lösungsansätzen und guten Ratschlägen aus der Verwandtschaft, dem Freundeskreis und der Ärzteschaft.

In der Selbstanalyse komme ich zu dem Schluss, dass das Problem sich aus folgenden Bestandteilen zusammensetzt:

1. Erbe aus der Zeit, als die Kinder klein waren.
Da habe ich mir angewöhnt, den Abend „noch so richtig zu genießen“, wenn die wilde Brut im Bett war. Endlich Zeit für mich! Statt schlafen zu gehen, habe ich die „kinderfreie“ Zeit oft bis 1, 2 oder sogar 3 Uhr ausgedehnt. Meine Kinder waren zwar schon damals Langschläfer, aber es gab ja diese blöden, nachteulenfeindlichen Einrichtungen Kindergarten und Schule. Apropos …

2. Nachteulentyp. Bin ich definitiv.

3. Handykonsum.
Im Bett noch auf dem Smartphone herumzuzappen, Nachrichten lesen, schreiben, „noch kurz was nachgucken“, ist der Tod für das Schlafhormon Melatonin, auch wenn man den Bildschirm auf „Nachtmodus“ stellt und kein blaues Licht den Sehnerv kitzelt. Man guckt in ein beleuchtetes Kästchen und das Gehirn erhält das Signal: Hej, ein neuer Tag hat angefangen. Cortisolproduktion [on]!

4. Angst zu sterben.
In der letzten Zeit sind einige, mir mehr oder weniger gut bekannte Personen, plötzlich und unerwartet gestorben. Das ist so, wenn man die 50 überschritten hat. Moni lag einfach morgens tot im Bett. Sie war so alt wie ich. Eine Lehrerin aus der Schule ebenso. Sie war erst 34. Ralf ist auf dem Bahnsteig zusammengebrochen, Tot. Birgit fuhr in den Urlaub, steigt aus dem Auto und fällt tot um. Und so weiter … die Einschläge kommen näher. Einschlafen bedeutet Kontrollverlust. Jahrelang bin ich beim Einschlafen hochgeschreckt. So, als hätte mich jemand angeschubst und mir „Nicht einschlafen!“ ins Ohr gebrüllt. Nach drei dieser Attacken war ich so voller Adrenalin, der Rest der Nacht war gelaufen. Die Angst zu sterben ist eine Urangst, über die viele Bücher geschrieben wurden. Vielleicht bin ich also stolze Besitzerin einer minikleinen Angststörung. Vielleicht rede ich mal mit jemandem darüber. Das ist auf jeden Fall der Plan.

Meine mehr oder weniger erfolgreichen Lösungsansätze:

1. Schlafhygiene!

Ganz wichtig: Immer zur selben Zeit ins Bett gehen. Schaffe ich nie – aber ich versuche es. Gleich morgen fange ich an damit. Wenn nicht der kleine Party-Löwe in mir wieder sagt: „Komm, lass uns noch ne Serie gucken, nur eine einzige Folge! Und danach vielleich noch eine …“

2. Nachteulentyp
Daran lässt sich nichts ändern. Aber eine Eule und eine Lerche können sich kein Nest teilen. Ich habe ein eigenes Schlafzimmer. Ich darf dort schlaflos sein und lesen, mich rumwälzen oder wieder aufstehen und störe die schlafende Bevölkerung nicht. Das entspannt!

3. Smartphoneverbot im Schlafzimmer.
Eine Zeitlang habe ich mir eingeredet, das Smartphone zum Einschlafen nutzen zu können. Meditationsapps, der Einschlafen-Podcast mit Toby Bayer – extra so langweilig, damit man beim Hören einschläft – weißes Rauschen von Spotify – alles Quatsch, raus mit dem Ding! Mein Smartphone bleibt unten im Wohnzimmer. Flugmodus oder ausgeschaltet. Meine alten Freunde sind wieder bei mir eingezogen: Bücher! Lesen hilft beim Einschlafen – wenn man vor Mitternacht damit aufhört.

4. Medizinisches
Meine medizinischen Experimente reichen von der Therapie mit bioidentischen Hormonen über illegal importiertes Melatonin aus den Niederlanden, Baldrian, Hopfen, bis zu diversen, frei verkäuflichen Schlaftabletten. Nichts hat so richtig gut geholfen. Im Gegenteil, die Nächte wurden immer länger. In der Woche schlief ich von 7 Nächten 5 so gut wie gar nicht und lag bis 5, 6 oder 7 Uhr wach, um dann noch zwei, drei Stunden mittelmäßig zu schlafen. Der Horror. In diesem Zustand ging ich zu meiner Hausärztin. Sie sah mich kurz an und ich bekam ein Medikament. Es ist ein Antidepressivum mit angstlösender, beruhigender Wirkung. Die normale Dosis beträgt 4 Tabletten am Tag, wenn man unter Depressionen leidet. Ich nehme eine von diesen vier Tabletten. Ich wollte sowas niemals nehmen, aber ich tu’s. Und ich schlafe! Ich schlafe einfach ein und wache morgens auf wie ein ganz normaler Mensch. Es geht mir hervorragend damit. Nach 20 Stück ist Schluss. Da sind wir wieder verabredet, meine Ärztin und ich.

Wir werden sehen, wie es weitergeht. Ich baue darauf, dass mein Körper wieder lernt zu schlafen, denn ich fürchte, schlafen kann man sich erfolgreich abtrainieren. Ich will nicht mein Leben lang diese Tabletten nehmen, aber ich will schlafen. Ich will einschlafen können, wie ein normaler Mensch und nicht neidisch zuhören, wie z.B. mein Partner nach genau 60 Sekunden selig einschläft. Ich kann das auch! Ich halte dich auf dem Laufenden. Und bis dahin: Schlaf gut!

Update: Ich bin tablettenfrei. Sie haben mir sehr geholfen, danke! Irgendwann haben die aber nicht mehr so gut gewirkt. Ich habe mir das Buch von den Schlafonauten gekauft. Sehr informativ! Das Thema Chronobiologie war sehr interessant für mich. Ich versuche einigermaßen zu denselben Zeiten ins Bett zu gehen. Ich sprühe mir etwas Melatoninspray in den Mund und erstaunlicherweise schlafe ich dann sehr gut ein. Vielleicht ist das Thema durch, ich weiß es nicht. Lieber nicht zu lange drüber nachdenken. Gute Nacht!