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Nordwestjütland

Okt 21, 2022 | Dänemark, Reisen, Skandinavien

Urlaub in Nordwestjütland mit Hund.

Wir sind Spätbucher – trotzdem haben wir – mal wieder – ein Traumhaus erwischt. Die „Gamle Station Vust“ war einmal ein Bahnhof. Die ehemalige Bahnstation stammt aus dem Jahr 1912 und wurde liebevoll und mit viel gutem Geschmack renoviert. An der Tür steht ein Schild „Gitte Bojer“ und – liebe Gitte, wenn du das Haus renoviert und ausgestattet hast: Vielen Dank, das hast du wunderschön gemacht, wir haben uns sehr wohl gefühlt. So viele Details aus der Historie dieses Schätzchens wurden erhalten und lassen erahnen, wie es hier einmal zuging, als noch Schienen vor dem Haus verlegt waren und der Stationsvorsteher Fahrkarten am Schalter verkauft hat. Wir lieben sowas!

Das Haus ist kein Luxushaus, es hat weder Pool, noch Sauna, noch Spülmaschine. Man duscht in der Badewanne. Es gibt keine gigantische Couch und keinen LED-Fernseher in XXL. Dafür liegt das Haus auf einem 55.000 Quadratmeter großen Grundstück. Am und um das Haus ist alles sehr gepflegt, im weiteren Umfeld ist vieles der Natur überlassen.

Man kann morgens im Frühstückszimmer frühstücken, abends den anderen Esstisch verwenden und nachmittags den Kaffee im Wintergarten einnehmen. Oder im Gewächshaus im Garten. Das geht natürlich auch. An kalten Abenden holt man etwas Brennholz aus dem Garten und befeuert den gusseisernen Ofen, der sofort Gemütlichkeit verbreitet. (Dafür steckt man einfach 25 Kronen (ca. 3,50 €) ins Portemonnaie neben dem Ofen.) <3

Vejlerne ist Dänemarks größtes Schutzgebiet mit 5600 Hektar

Am ersten Tag inspizieren wir unsere unmittelbare Umgebung. Nur wenige Schritte sind es bis zum Vogelschutzgebiet Vejlerne. Wir verlassen den Kiesweg und folgen neugierig dem Hinweisschild auf einen Feldweg, der schließlich auf einen hölzernen Steg führt. Rechts und links begleitet uns das Schilf auf Kopfhöhe, viel sehen kann man nicht. Der Steg mündet in einer recht großen Holzhütte mit vielen Fenstern. Die Fenster lassen sich mit einer simplen Konstruktion herunterlassen, so dass man einen ungetrübten Blick auf die Bucht voller Wasservögel hat. Löffler – leicht zu erkennen an ihrem Hin- und Herschwenken des löffelartigen Schnabels im Wasser, dem so genannten Seihen – aber auch Enten, Kraniche oder Reiher (kann ich nie unterscheiden) stehen einträchtig und fein sortiert in Gruppen im Wasser.

Die Sonne färbt den Himmel orangerot. Zur Krönung des Abends kommt ein Fuchs auf die Vogelgruppe zu geschlichen. Wir halten die Luft an, aber er scheint wasserscheu zu sein und zieht wieder ab. Die Vogelgruppe ist cool geblieben und hat sich nicht weiter bewegt. Der wasserscheue Fuchs scheint bekannt. In der Hütte sind wir ganz allein, wie viele weitere Abende auch. Einmal schaffe ich es, morgens früh die Hütte zu besuchen, da finde ich tatsächlich drei dänische Senioren vor, die mit ihrem Hightech-Equipment Vögel beobachten und mir ein fröhliches „Godmorgen“ zurufen.

Vogelschutzgebiet Vejlerne Nordwestjütland

Vögel beobachten ist Entspannung pur.

Bulbjerg Strand – die 47 m hohe Kalkküste Bulbjerg bietet einen einzigartigen Blick über die Jammerbucht.

Gleich am nächsten Tag inspizieren wir die Strände in der Umgebung. Unser Haus liegt exakt zwischen dem Lund-Fjord und der Nordsee – in Dänemark nennt man es Westsee. Bulbjerg Strand ist nur 4 km vom Haus entfernt. Wir folgen der Beschilderung uns landen unmittelbar am Strand, neben einigen, wenigen Campern und Surfern. Am Strand selbst treffen wir auf insgesamt drei Personen, nach ein paar Metern Richtung Norden gewandert sind wir ganz und gar allein. Unser Hund, ein jagdpassionierter Podenco, muss an der Leine bleiben, offiziell und auch weil die Dünen voller bodenbrütender Vögel und höchstwahrscheinlich auch Kaninchen sind. Wir gehen mehrere Kilometer den Strand entlang und treffen niemanden. In Richtung Süden sind da schon mehr TouristInnen – dort befindet sich die Steilklippe Bjulberg mit dem Bunkermuseum. Die Spuren des 2. Weltkrieges, die Spuren der deutschen Besatzung, sind an vielen Stränden Nordwestjütlands zu finden. Von mir aus können die weg. 

Thorup Strand – Fiskehus

Nicht weit von uns ist auch Thorup Strand, den wir in unseren zwei Wochen Urlaub häufiger aufsuchen werden. Zentrale Anlaufstelle ist das Fiskehus – einerseits eine Fisch-Zerlegestelle, an der der frisch gefangene Fisch – naja zerlegt wird und auch verkauft, andererseits eine gute Gelegenheit, Durst und Hunger zu stillen. Neben Fisch gibt es dort tatsächlich auch Optionen für VegetarierInnen und VeganerInnen. Das Essen bestellt man im Gebäude und dann wartet man mit Blick aufs Meer und die beeindruckenden Fischerboote darauf, dass der „Brummer“ mit lauten Vibrationen verkündet, dass das Essen zur Abholung bereit steht. Gegessen wird an einfachen Picknicktischen im Sand – unser Hund ist willkommen.

Råbjerg Mile, eine versandete Kirche und Skagen

Natürlich haben wir es uns nicht entgehen lassen, die allerallerallernördlichste Spitze Europas zu besuchen, knapp 2 Stunden von unserem Feriendomizil entfernt. Kurz vor dem Ziel machen wir noch einen kurzen Stopp im Hundeskov, wo wir Jeppe frei laufen lassen können.

Auf dem Parkplatz – mit Büdchen, Picknicktischen und Toiletten – entdecken wir rein zufällig Schilder, die den Weg zur „Tilsandete Kerke“ weisen. Nur wenige Gehminuten entfernt können wir den Kirchturm besichtigen, das ist das einzige, was von dieser Kirche noch zu sehen ist. Das komplette Seitenschiff wurde von einer Wanderdüne begraben.

Jetzt geht es weiter nach Skagen Grenen – der Nordspitze Europas. Grenen ist der einzige Ort, an dem wir ziemlich viele TouristInnen treffen. Ein Menschenstrom schlendert vom Strand – wieder olle Weltkriegsbunker – in Richtung Landzunge, an deren Ende Nord- (aka West-) und Ostsee zusammenstoßen.

Auf der sehr schmalen Landzunge begegnen wir einem Robbenbaby, das zwischen den vielen TouristInnen vergeblich nach einem Platz zum Ausruhen sucht. Eigentlich soll man Abstand zu den Robben halten – auf der nur wenige Meter breiten Landzunge ist das kaum möglich.

Tatsächlich stehe ich nun mit einem Fuß in der Ostsee und dem anderen in der Nordsee, die hier Westsee heißt. Die Linie, an der sich die beiden Meere treffen, ist durch ein Zusammenschlagen der Wellen aus entgegengesetzten Richtungen mit bloßem Auge erkennbar. Am beeindruckendsten ist das Licht. Es ist gefühlt blau!

Weg zur versandeten Kirche

Råbjerg Mile

Auf dem Rückweg von Skagen sehen wir uns noch die 40 Meter hohe Wanderdüne Råbjerg Mile an. Eigentlich ist es schon spät, aber wir sind so froh, dass wir uns noch aufgerafft haben, diesen besonderen Ort zu sehen. Die Stimmung im nahenden Sonnenuntergang ist einfach magisch. 12o Hektar feiner Sand wohin das Auge blickt. Der Hund ist begeistert und nutzt die 30 Meter Schleppleine in alle Richtungen aus. Zu dieser Stunde sind nur wenige Menschen dort, der Wind ist kräftig und es ist ziemlich kalt – trotz optischem Dubai-Feeling.

30 Meter wandert die Düne im Jahr. Im Jahr 2130 wird sie in der Ostsee verschwinden. Also nicht zu lange warten mit einem Besuch!

 

Råbjerg Mile in Nordwestjütland

Ein kleiner, bewegter Eindruck.

Mors, Dänemark

Auf dem Weg zur Nordküste sind wir diesem Kunstwerk begegnet.

Mors, Nykøbing, Hanklit

Mit der kleinen  Feggesund-Fähre setzen wir vom Festland auf die größte Insel des Limfjords über: nach Mors. Vom Anleger fahren wir zunächst in das kleine aber feine Städtchen Nykøbing und essen im empfehlenswerten Café-Restaurant Sult eine fantastische Bowl mit allem, was das VeganerInnenherz glücklich macht.

Süße, kleine Läden laden zum Shoppen ein – aber Achtung: um 17 Uhr werden bereits die ersten Türen geschlossen – es ist Frokost-Zeit!

Frisch gestärkt fahren wir in Richtung Küste, zur Hamklit, den beeindruckenden Moler Klippen an der Nordküste von Mors. 61 Meter hoch ist der Steilhang, den man über einen kleinen Weg gut beklettern kann. PaläontologInnen werden hier glückliche Zeiten verbringen, denn die Felsformationen sind voller Versteinerungen. Geht man dicht an den Felsen entlang, kann man die Spuren der letzten 55 Millionen Jahre in den mehrfarbigen Schichten erkennen. Bis auf zwei, drei Menschen sind wir die einzigen, die sich bei diesem etwas unwirtlichen Wetter hierhin gewagt haben. Zurück ist ein wenig Eile angesagt, damit wir die letzte Fähre noch erwischen.

Wanderung bei Grønnestrand

Plötzlich wird es sehr warm. Ungewöhnlich warm für Nordwestjütland. Das hat uns ein netter Herr mit Retriever im Hundeskov bestätigt. Ich gönne mir einen Strandtag, so richtig mit Rumliegen und Sonne pur. Es ist sogar so heiß, dass ich ohne Schnappatmung in der ostseeglatten Nordsee schwimmen kann – eine herrliche Erfrischung. So bleibt es übrigens den Rest des Urlaubs, heiße 25 – 27 Grad. (In Deutschland gerade 37 – 40 Grad). Nach zwei Tagen ist es unvorstellbar, dass wir noch eine Woche zuvor den Holzofen angefeuert hatten.

Mann und Hund habe ich auf der Fahrt zum Strand am Wanderparkplatz rausgelassen, sie machen die letzten Kilometer zu Fuß und holen mich ab. Ein sehr erhitzter Hund freut sich, mich zu sehen. Ich freue mich auch – auf unsere Wanderung am Grønnestrand.

Die beiden SonnenanbeterInnen seht ihr hier:

Grønnestrand, Nordwestjütland

Auf dem Weg zum Grønnestrand passiert man die historische Windmühle Lyngmühle. Sie gilt als die einzige mit Heidekraut verkleidete Mühle … weltweit? Wahrscheinlich! Gebaut wurde sie 1873 und im Jahr 1989 umfassend restauriert.

Vom Parkplatz am Grønnestrand kommt man an einer Stele vorbei, die den Ort markiert, an dem König Frederik VI. Folgendes gerufen haben soll: „Dieser trostlose Ort ist der schönste Ort in meinem Königreich!“ Ähm ja, das war am 21. Juni 1824. Ich finde den Ort gar nicht so trostlos. Ich liebe diese weite, offene Landschaft, die bewachsenen Dünen und den Blick auf die Steilküsten Bulbjerg und Svinclovene. Und Svinclovene – das ist unser Ziel. Wir gehen am Strand entlang und folgen einem steilen Weg, der zur Steilküste führt. Auf dem Hang grasen Pferde, die über erstaunliche Kletterkünste verfügen. Dann sind wir oben. Und plötzlich mitten in einem wilden Wald. Ach, seht einfach selbst, wie wunderschön diese Wanderung war.

Nordwestjütland Grønnestrand
Nordwestjütland Grønnestrand

Aalborg

Die kleine Schwester von Kopenhagen

In den letzten Tagen unseres Urlaubs fahren wir noch einmal ca. 50 Kilometer in Richtung Osten. Unser Ziel: Aalborg, die Stadt am Zufluss des Limfjords. Aalborg ist nach Kopenhagen, Aarhus und Odense die viertgrößte Stadt Dänemarks. 119.862 Menschen wohnen in dieser wunderschönen Stadt, die ich hier mal als Mini-Kopenhagen bezeichnen möchte.

Mit Hund in die Stadt ist ja immer so eine Sache. Gut, dass es natürlich auch bei Aalborg wieder so einen fantastischen Hundeauslauf gibt, in dem Jeppe sich freilaufend die Pfoten vertreten und sämtliche Geschäfte erledigen kann. So kommen wir mit einem frisch entleerten Hund in Aalborg an. (Hundepeople wissen, wie wichtig das ist!)

Aalborg ist wunderschön, hat viele tolle Geschäfte, größere Ketten, aber auch viele kleine Läden. Man kann hervorragend draußen essen und sich im Hafenschwimmbad mal eben kurz erfrischen – eine weitere Gemeinsamkeit mit Kopenhagen. Unbedingt empfehlenswert ist auch die Dachterrasse des Kaufhauses Salling – allerdings durften wir wegen des Hundes gleich wieder gehen. Hunde unerwünscht.

Auf dem Rückweg haben wir beinahe den sensationellen Sonnenuntergang an der Limfjordbrücke verpasst. Ach, guckt doch einfach die Bilder an …

Nordwestjütland Aalborg

Finale: Løgstør am Limfjord

Am letzten Abend vor unserer drohenden Abreise fahren wir nach Løgstør, direkt am Limfjord gelegen. Hier ist richtig was los: maritimes Flair, jede Menge Menschen, Camper, Familien. Badeurlaub mit einem Touch 80er-Jahre. Es gibt einen richtigen Badesteg und andere touristische Attraktionen. Leider waren wir zu spät für das hübsche Limfjordmuseum – besonders toll für Familien mit Kindern. Es gibt zahlreiche, wirklich tolle Aktionen im und um das Museum.

Der Kanal, so lernen wir, wurde von Frederik VII. gebaut, weil es im Limfjord selbst zu flach für größere Schiffe war. Der Kanal ist über 4 km lang, 28 m breit, 3 m tief und wurde ab 1856 5 Jahre lang von 400 deutschen Arbeitern von Hand gegraben. Heute braucht man den Kanal nicht mehr – er ist ein geschütztes Kulturdenkmal.

Genug gelernt, wir haben Hunger! Mangels veganem Angebot, bestellen wir Pommes und erhalten zwei kofferähnliche, riesige Behältnisse mit köstlich duftenden Kartoffelstäbchen. Hätten wir mal bloß nur eins bestellt – wir mussten sehr schnell essen, um nicht den sensationellen (schon wieder) Sonnenuntergang zu verpassen.

Wehmütig, seeeehr wehmütig verleben wir einen traumhaften Abend am Muschelstrand und mit der schwindenen Sonne als Zeugin schwören wir, dass wir sicher nicht zum letzten Mal in Nordwestjütland waren. Puh – was für ein romantischer Schlusssatz!