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Tierschutzhund ja oder nein?

30 Jun,2023 | Allgemein, Hunde, Tierschutz

Die Kurzfassung

Soll ich einen Hund aus dem Tierschutz adoptieren?

JA! Unbedingt!

Haben Tierschutzhunde viele Krankheiten?

Das kommt drauf an. Wie lange war der Hund z.B. auf der Straße oder sich selbst überlassen? Aus welchem Land kommt er? Wie gut wurde er im ausländischen Tierheim versorgt.

Es ist schon richtig, dass man mit einigen Krankheiten rechnen muss und diese auch viel Geld kosten können. Es gibt Hunde, die „nur“ mit leicht behandelbaren Parasiten (Giardien, Würmer etc.) zu dir kommen. Es gibt aber auch Hunde, die an Leishmaniose, Babsiose oder einer anderen so genannten „Mittelmeerkrankheit“ leiden. Diese Erkrankungen sind teilweise nicht heilbar, aber sehr gut behandelbar.

Genauso gibt es aber auch Tierschutzhunde, die pumperlgesund sind.

Auch bei einem Hund vom Züchter können Krankheiten auftreten. Viele Hunderassen – besonders die, die gerade in Mode sind – sind überzüchtet und leiden an Gelenk- oder Nierenkrankheiten, an Allergien, Epilepsie oder Autoimmunkrankheiten.

Es ist schön, wenn die Tierschutzvereine die Hunde vor Ort testen und Ihre Adoptanten aufklären, wenn es nachgewiesene Erkrankungen gibt.

Noch schöner ist es, wenn du einem Hund trotz einer Erkrankung eine Chance gibst. Du solltest dich darauf einstellen: Ein Hund kann sehr teuer werden – oder auch nicht.

Welpen gibt es nur beim Züchter?

Stimmt nicht!
Auch im Tierschutz findest du viele, viele ungewollte und lieblos entsorgte Welpen der verschiedensten Rassen und Mischlinge. Wenn es schon ein Welpe sein muss, dann nimm einen aus dem Tierschutz!

Bitte denk auch an die älteren Hunde, die nicht ihr ganzes Leben im Tierheim verbringen sollen. Sie haben es so verdient!

Tierschutzhunde sind immer Jagdhunde

Stimmt nicht!

Okay, Podencos und Galgos und viele Mischlingsformen in Spanien – das sind tatsächlich meistens begnadete Jäger. Sie machen ihren Job gut! Du kannst damit rechnen, sie nur in Freilaufgebieten von der Leine lassen zu können. Es gibt aber auch Ausnahmen – zum Beispiel meinen Hund.

Aber auch in Spanien gibt es Hunde, die nicht unter die Rubrik „Profi-Jäger“ fallen. Und die süßen Hunde aus Rumänien und Bulgarien sind ebenfalls selten Jagdhunde.

Straßenhunde soll man da lassen, wo sie sind

In Bulgarien und Rumänien gibt es Straßenhunde, die von der Dorfbevölkerung versorgt werden und relativ glücklich in Rudeln zusammenleben. Ich glaube persönlich nicht, dass es gut ist, diese Hunde einzufangen (außer um sie zu kastrieren) um sie in eine 2 Zimmer-Wohnung in Bochum zu verschleppen. Das ist für den Hund keine Verbesserung. 

Wenn der Hund gesund ist, kastriert wurde und eine halbwegs gute Versorgung hat, soll er sein freies Hundeleben genießen. Beim Zusammenleben mit diesen autarken Hunden, die man aus ihrem Rudel herausgerissen hat, kann es große Probleme geben. 

Das ist mit der Jagdhundproblematik in Spanien nicht zu vergleichen. Dort werden Hunde auf der Straße entsorgt. Halb verhungert, oft verletzt und gefoltert irren sie umher und werden nicht selten überfahren. Informiert euch da gerne bei Galgos del Sol.

Ist Auslandstierschutz Geschäftemacherei?

Ganz sicher gibt es Vereine, die kommerziellen Nutzen aus der Vermittlung von Tieren ziehen. Unseriöse Vereine und Organisationen.

Es gibt aber auch die guten und seriösen Orgas, die mit einem wahnsinnigen Einsatz von Zeit, Herzblut und Geld nichts anderes im Sinn haben, als Tieren zu helfen. Meiner Meinung nach sind die in der Überzahl.

Wie erkenne ich eine seriöse Tierschutzorganisation?

Meist lässt sich das schon im Vorfeld ganz gut erkennen. Natürlich hilft es auch zu googlen und auf Erfahrungen anderer zu achten. Eine seriöse Tierschutzorganisation erkennst du u. a. daran:

  • Du musst einen relativ umfangreichen Fragebogen ausfüllen.
  • Vorkontrolle: Jemand guckt sich das neue Zuhause des Hundes oder der Katze vor Ort an und führt ein Gespräch mit dir.
  • Die Organisation ist selbst vor Ort tätig oder hat Partnertierheime, die sie unterstützt.
  • Die Tiere werden schon im Ausland auf Krankheiten getestet und das wird auch mit dir ehrlich kommunziert.
  • Frage, ob man dich im Falle von Krankheiten beratend unterstützen kann.
  • Es wird ein Schutzvertrag aufgesetzt und du zahlst eine Schutzgebühr (meist so um die 300€). Im Schutzvertrag wirst du u. a. aufgefordert vor einer eventuellen Weitergabe des Hundes den Verein zu informieren.
  • Die Ansprechpartner:innen stehen dir auch nach der Übergabe des Hundes zur Verfügung.
  • Der Kontakt verläuft freundlich und du fühlst dich nicht gedrängt, dich jetzt „endlich“ zu entscheiden.

Soll ich einen Hund aus dem Tierschutz adoptieren?

Die ausführliche Version.

Hej, erstmal finde ich es super, dass du darüber nachdenkst und diese Option nicht von vorneherein ausschließt. Ich möchte dir von meinen Erfahrungen berichten. Ich hatte bisher zwei Rassehunde von verschiedenen Züchterinnen und drei Hunde aus dem Tierschutz, kenne also beide Optionen ziemlich gut.

Hunde vom Züchter

Mein erster Hund war der wunderbare Balou vom Brande, ein blonder Hovawartrüde aus einer Hobbyzucht der Familie Bölk aus Niederwöhren bei Bückeburg. Balou war ohne Frage ein Traumhund, er war kerngesund, bis er im hohen Alter von 14 Jahren eingeschläfert werden musste. Er war ein Lamm und hat mich durch viele Phasen meines Lebens begleitet – von der Studentin bis zur Mutter zweier Kinder. Nach Balous Tod stand ich vor der Entscheidung: Hund oder drittes Kind – und bekam dann beides. Kurz vor der Geburt meiner jüngsten Tochter zog Ruka of the Divine Firehorse bei uns ein – ein blue-merle Australian Shepherd von der Züchterin Katja Sentker. Auch er war ein Traumhund, litt aber schon früh an Arthrose und starb sehr plötzlich an einem geplatzten Milztumor – bei der Untersuchung wurde dann klar, dass er überall voller Krebs war. Er wurde nur 12 Jahre alt.

Balou vom Brande

Dänemark

Ruka of the Divine Firehorse

Ein Tierschutzhund zieht ein

Als Ruka so etwa 8 Jahre alt war, stieß ich im Internet auf die Möglichkeit, Pflegestelle für Tierschutzhunde zu werden. Ich scrollte mich durch das Elend des Auslandtierschutzes und das schlechte Gewissen, einen Hund vom Züchter genommen zu haben, wuchs. So kam ich zu Zara, einer spanischen Gute-Laune-Mischung aus Pointer, Deutsch-Kurzhaar und jeder Menge Jagdtrieb. Zara kam über den Tierschutzverein Ayuda por animales per Flugzeug zu uns und sollte sich an Menschen, an ein Haus, an ein Leben in Deutschland gewöhnen, bevor sie von mir, der Pflegestelle, weiter vermittelt würde. Ähm ja, was soll ich sagen … ich scheiterte grandios und wurde zu dem, was man in Fachkreisen PSV nennt = PflegestellenversagerIn. Zara blieb.

Zara, die fröhliche Wedelbracke

Ich hatte jetzt also zwei Hunde: Ruka und Zara. Ruka war eine Zeitlang beleidigt, dann aber liebte er seine Zara. Zara hatte in Spanien in einer Scheune gelebt und kannte weder ein Haus, noch eine Treppe, noch regelmäßiges Futter. Anfangs fraß sie nach dem Kacka machen ebenselbe wieder auf. Ruka zeigte ihr innerhalb einer Woche, wie das alles funktioniert: Draußen entleeren, fressen, schlafen in einem weichen Körbchen. Zu seiner Empörung lernte sie von sich aus: Sofa ergattern und im Bett schlafen.

Tierschutzhunde sind oft Jagdhunde

Zara war – wie viele Hunde aus dem Tierschutz – eine hervorragende Jägerin und Supernase. Ich habe viele, sehr viele Stunden damit verbracht, auf diesen Hund zu warten, geduldig unterstützt von Ruka. Als Ruka starb, entdeckte Zara nach einer angemessenen Trauerphase die Vorteile ihres Prinzessinnen-Daseins. Das wurde erst wieder gestört als 2014 Ida einzog. Ida war der innigste Wunsch meiner Tochter und sie ist bis heute ihr Hund. Ida haben wir mit vier Monaten vom Tierschutzverein Europa adoptiert und sie ist eine sehr patente, draußen etwas ängstliche Mischung aus Rauhhaardackel und Terrier. Sie brachte Lungenwürmer mit aus Spanien und war seitdem so gut wie keinmal mehr krank. Ida hat die bequem werdende Zara wieder so richtig auf Trab gebracht und zunächst unendlich genervt. Dann bekam Zara zeitweise Muttergefühle und sie hat Ida nicht nur erzogen, sondern auch sehr viel mit ihr getobt und gespielt.

Im Haus war Zara wie eine Katze. Sie lag sehr gerne warm und als sie älter wurde, wurden wir nachts gelegentlich von einem Heulkonzert geweckt, weil Zara zugedeckt werden musste. Zara war pumperlgesund – bis ihr Herz eines Tages anfing zu schwächeln. Mit Medikamenten ging das aber noch lange Zeit gut. Ihr Herz war vergrößert und als sie zusätzlich noch Entwässerungstabletten brauchte, ging es bergab. An Christi Hinmelfahrt 2020 fand ich sie morgens tot im Wohnzimmer liegend. Sie wurde fast 12 Jahre alt. Ich habe diesen Hund so sehr geliebt. Zara war so etwas Besonderes, so speziell, unabhängig im Geiste und immer gut gelaunt. Ihre unzerstörbare Fröhlichkeit war großartig und ansteckend. Run free, Zara!

Ida vom TSV Europa

Ida in Trauer

Als Zara starb verfiel Ida in eine tiefe Depression. Sie kannte das Leben als Einzelhund ja nicht und fühlte sich sehr allein. Besonders im Wald wurde sie nun noch ängstlicher und blieb stets 100 Meter hinter uns. Dazu kommt, dass Ida mit 7 Kilo und knappen 30 cm Schulterhöhe eigentlich kein Hund für mich ist und sie gehört ja auch meiner Tochter. Es gibt ja viele, kitschige Geschichten rund um den Hund (Regenbogenbrücke und so weiter) und eine davon habe ich mir einfach geschnappt und behaupte nun, dass das genauso stimmt: Stirbt ein Hund, so schickt er dir den nächsten. Ja, das ist so! Ganz sicher!

Tierschutzhund Jeppe – auch noch ein Podenco!

Noch in tiefer Trauer um meine Zara, begann ich mich wieder auf Tierschutzseiten umzusehen. Und da fand ich ihn: Toffee – so hieß er damals noch – was für ein Hund! Riesige Ohren, ein gehetzter Blick und seltsam gekringelter Schwanz. Ein bisschen räudig sah er auch aus. Auf dem Video trabte er mit hoch aufgerichtetem Schwanz und federnden Schritten am Zaun seines Zwingers hin und her. Er sei „Mui energetico“, erklärte mir eine Mitarbeiterin des spanischen Tierheims. Ich war absolut fasziniert – und gleichzeitig dachte ich: Den traue ich mir nicht zu, den krieg ich nicht gehandelt – hatte ich doch wahre Horrorgeschichten über Podencos gehört.

Toffee war schon 2,5 Jahre im Tierheim in Südspanien. Er wurde wenige Tage alt vor dem Zaun des Tierheims in einem Karton gefunden, hatte also sein ganzes bisheriges Leben dort verbracht. In einem weiteren Video auf Facebook sah ich ihn in seinem Zwinger. Besucher waren da und Toffee und seine ZwingergenossInnen brachen sich fast die Beine, um auch nur eine einzige Streicheleinheit zu ergattern. Toffee auf der Suche nach Liebe! Meine durchaus vernünftigen Vorbehalte bröckelten dahin. Ich wollte mehr über Podencos wissen und fuhr zur Auslaufwiese von Hunde aus Mallorca, um mir diese Podencos mal aus der Nähe anzusehen. Am Zaun wurde ich von drei faszinierenden Langnasen interessiert begrüßt. Ich bekam nützliche Infos von den Podenco-Menschen und die Option, mit meinem eventuell, vielleicht zukünftigen Hund ebenfalls diese eingezäunte Freilaufwiese zu nutzen. Jetzt war ich restlos verliebt in diese besonderen Hunde. Ich stellte beim TSV Europa eine Anfrage für Jeppe. Nach der Vorkontrolle bekam ich die Zusage. Ich war so aufgeregt! Wegen Corona dauerte das Ganze dann noch weitere 3 Monate.

Toffee aka Jeppe reist an

Am 2. Oktober 2020 war es soweit, wir machten uns auf nach Freiburg, um Jeppe in Empfang zu nehmen. Er kam mit vielen anderen Hunden in einem professionellen Tiertransport, hatte also fast 30 Stunden Autofahrt hinter sich. Als Toffee von einem der Fahrer vorsichtig aus dem Transporter gehoben wurde, musste ich beinahe weinen. Na gut, vielleicht habe ich auch wirklich geweint. Jeppe war vor Angst steif wie ein Brett. Seine riesig aufgerissenen Augen, seine Körperhaltung – er war die pure Angst und konnte keinen Schritt vor den anderen machen. Wir trugen ihn in die Halle, wo die Übergabe stattfand und ihm gleich ein Sicherheitsgeschirr plus eng sitzendem Halsband angepasst wurde. Vor lauter Angst pinkelte er unter sich.

Marlene und ihre Ida

Zara und ihre Ida

Nachdem wir den Papierkram erledigt hatten gingen wir mit ihm ein paar Schritte Richtung Auto und Gott sei Dank hob er das Bein an einem bedauernswerten Bäumchen und erleichterte sich ca. 5 Minuten am Stück. Wir führten ihn zum Auto und mein Freund hob ihn beherzt hoch und setzte ihn zu mir auf die Rückbank. Wir fuhren los. Nach 10 Minuten kuschelte sich Jeppe sehr fest an mich, seufzte tief und schlief ein. Bis wir in Bergisch Gladbach ankamen! Wer brauchte eine Pinkelpause? Ich!

Jagdtrieb – kommt!

Genau wie Zara lernte Jeppe unglaublich schnell, wie man sich in einem Haus benimmt. Er ergatterte das Sofa gleich am ersten Tag. Den Garten liebt er, hat aber zum Glück noch nie Anstalten gemacht, über den Zaun zu springen. Er hat eine „Spring-Hemmung“ und springt nur ungern. Gut für uns. Seine Jagdhund-Skills entwickelte er nur langsam innerhalb des ersten Jahres:

  • Buddeln und Mäuse fangen
  • Mäuse aus dem Sprung fangen
  • Mäuse sind langweilig – Eichhörnchen der Endgegner

Aber wir haben Glück: Mit den Büchern von Uli Reichmann haben wir eine tolle Bindung zu Jeppe aufgebaut. Das Training mit einer Jägerin hat sich bewährt und Jeppe ist zumindest in wildarmen Gegenden sehr gut abrufbar. In wildreichen Gegenden bleibt er an der Leine.

Haben Tierschutzhunde nicht immer Krankheiten?

Nein, nicht immer. Weder Zara noch Ida aus dem Tierschutz hatten Mittelmerkrankheiten. Jeppe hat Leishmaniose, der Titer war leicht erhöht als er kam, ist aber mittlerweile ohne Behandlung unter der Nachweisgrenze, man kann sagen, die Leishmaniose ruht. Podencos kommen aber allgemein sehr gut klar mit Leishmaniose. Ich vermute bei Jeppe war es der jahrelange Stress im Tierheim, der immense Stress der Reise und eventuell Impfung und Kastration, die den Titer hochschnellen ließen. Leishmaniose lässt sich gut behandeln und sollte kein Ausschlusskriterium sein, einen Tierschutzhund zu nehmen. 

Schockmoment – er fletscht die Zähne

Jeppes Superkraft ist sein Grinsen. Kurz nach seiner Ankunft hatte er sich auf dem Sofa breit gemacht und als ich mich näherte, entblößte er seine mittlerweile wieder schneeweißen Beißerchen und „strahlte“ mich an. Ich dachte zunächst: „Verdammt, er verteidigt „sein Sofa“, seine neue Ressource und befahl ihm energisch, ebenselbes sofort zu verlassen. Mit dem unterwürfigsten Blick der Welt sah er mich an und trollte sich wie ein geprügelter Hund auf seine Decke. Erst langsam begriff ich, dass dieses „Grinsen“ kein Zähnefletschen war und auch kein „submissive smiling“, es ist tatsächlich ein freundliches Lächeln. Wenn Jeppe sich besonders freut, zeigt er es. Vielleicht liegt es daran, dass er eine Handaufzucht ist, keine Ahnung, es ist auf jeden Fall ein beeindruckender Special-Effekt.

Wir sind 100% glücklich mit Jeppe. Er ist wunderbar, einzigartig, unglaublich zugewandt, verschmust, kontaktbedürftig und er liebt Menschen – sogar Männer.

Genießt einfach meine kleine Bildergalerie von Jeppe (beachtet die Entwicklung des Ohrfluffs!) oder folgt ihm auf Instagram, er hat tatsächlich einen eigenen Account:  jeppe_the_podenco – verrückt!